Mein Professor an der Uni meinte
immer, es sei ein Wunder, dass wir uns alle verstehen.
Zugegebenermaßen hängt die
Verständlichkeit im Alltag von richtig vielen Faktoren ab, wie ich schon in
meiner Magisterarbeit geschrieben hatte.
Neben den Faktoren, die auf den Seiten der Autoren von
Texten oder Sprechern von Sprache die Verständlichkeit beeinflussen (z.B.
komplizierte Sachverhalte, Schreibstil, Einstellung zum Leser) gibt es auch
noch die Faktoren, die der Leser oder Hörer mitbringt (z.B. nicht veränderbare
Dinge, wie soziokulturelle und kognitive Faktoren, aber auch veränderbare, wie
situative und emotionale Faktoren). Hinzu kommen noch die Faktoren, die der
Text selbst mitbringt (z.B. semantische, syntaktische und typographische
Faktoren und verschiedene Textmittel, wie Layout und Gliederung). Und bei der mündlichen Verständigung gibt's ja auch noch diese beiden sehr vagen Mitspieler Mimik und Gestik....uihuihuih.
Jede Zielgruppe hat ein anderes Schlussverfahren. Ein Text
oder ein gesprochener Satz ist deshalb niemals aus sich selbst heraus
verständlich, sondern immer nur verständlich für jemanden. Ein Satz kann auf so
viele unterschiedliche Arten verstanden werden.
Ich kenne eine Person, die sich
beispielsweise durch einen sehr direkten und burschikosen Sprachstil
auszeichnet und oft als „vorwurfsvoll“ beschrieben wird. Der Ton macht
bekanntlich die Musik. Aber hier ist nicht immer ein Vorwurf gemeint, es ist
halt einfach der Sprachstil der Person.
Eine andere Person wiederum
spricht sehr leise und hat eine blumige Sprachmelodie, dieser Person wird immer
wieder zu wenig Durchsetzungsvermögen
attestiert, obwohl sie dieses im Beruf schon oft unter Beweis gestellt hat.
Der Mensch wertet ständig und
versucht seinen Gegenüber einzuschätzen. Dabei hilft das Einordnen in bekannte
Schemata - von uns gemeinhin „Schubladen“ genannt. Menschen, die wir schwer
einschätzen können, die in keine Schublade passen wollen, erscheinen uns
auch im Gespräch vielfach suspekt. Das
liegt daran, dass ein Großteil unserer Sprache und ihrer Bedeutung, die wir
verstehen, von der Sprachmelodie und dem Auftreten der Person abhängt. Denn wie
mein Professor schon sagte, interpretieren wir viel mehr als dass wir wirklich
verstehen. Bedeutung spielt sich zwischen Nuancen ab. Die Semantik weiß ein
Lied davon zu singen.
Besonders interpretativ ist hier
der Fall der Betonung.
Ein kleines Beispiel:
Da ist noch Butter im Kühlschrank.
Vier mögliche
Interpretationsarten je nach Betonung des unterstrichenen Wortes:
Da ist noch Butter im
Kühlschrank.
--> Ich hab sie doch vorhin noch gesehen und bin sicher, dass welche da ist.
--> Ich hab sie doch vorhin noch gesehen und bin sicher, dass welche da ist.
Da ist noch Butter im
Kühlschrank.
--> Wieso ist denn da noch Butter? Wieso ist die immer noch da? Warum hast du die nicht gegessen?
--> Wieso ist denn da noch Butter? Wieso ist die immer noch da? Warum hast du die nicht gegessen?
Da ist noch Butter im
Kühlschrank.
--> Dort ist die Butter, im Kühlschrank. Hol sie dir selbst.
--> Dort ist die Butter, im Kühlschrank. Hol sie dir selbst.
Da ist noch Butter im
Kühlschrank.
--> Wieso ist die Butter denn im Kühlschrank? Die ist doch sonst nicht dort. Die hätte ich ja fast übersehen.
--> Wieso ist die Butter denn im Kühlschrank? Die ist doch sonst nicht dort. Die hätte ich ja fast übersehen.
Ich hoffe, ich konnte anhand
dieses kleinen Beispiels verdeutlichen, wie wichtig die Betonung für das
gegenseitige Verständnis ist.
Je besser man seinen Gegenüber
kennt, desto besser kann man ihn einschätzen was genau er jetzt wohl damit
meint. Dann werden manchmal auch kleine Nuancen überhört, weil man weiß, dass
derjenige das nicht so gemeint haben kann – und schon interpretiert man einen
Satz anders.
Das zeigt zum einen wie wichtig
es für unsere alltägliche Kommunikation ist, dass wir lernen Menschen
einzuordnen – manchmal auch mit Hilfe von bequemen Schubladen. Es zeigt zum
anderen aber auch, wie wichtig es ist, in Texten, wo uns die Betonung fehlt, die
richtigen Worte zu finden.
Bildnachweis:
http://www.amc-forum.de/bilder/content/verstaendlichkeit.gif
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