Freitag, 7. März 2014

Ein Jahr Pause im Blog – Warum? oder „Wenn man eine Abschlussarbeit zur Textoptimierung schreibt...“


Manchmal braucht es Zeit für neue Ideen. Manchmal muss man Prioritäten setzen und seine Zeit neu verteilen. Es war für mich die Zeit eines Abschlusses und eines Neubeginns. Ich habe mein Studium beendet. Viel Zeit hat das Schreiben meiner Abschlussarbeit gekostet. Weil ich auf meine Arbeit so verdammt stolz bin (na ja, wenigstens ein bisschen), möchte ich hier kurz die Inhalte präsentieren. Falls jemand sich in einer Situation sieht, einen Text optimieren zu müssen, kann er gerne einen Kommentar abgeben, ich versuche schnell zu antworten und helfe gerne mit Material, wenn ich kann.

 Thema war:  

Die Problematik der Rechtslinguistik am Beispiel des Vereinsrechts


Problematik der Rechtsli....Worum gehts da? 

Klingt kompliziert (muss ja irgendwie wissenschaftlich klingen) ist aber ganz einfach: Rechtslinguistik ist ein Teilbereich der Linguistik, der sich mit der Textform der Rechtstexte beschäftigt. Da gibt es übrigens mehr als nur Gesetze, doch ich hab mich trotzdem hauptsächlich auf die Gesetze bezogen. Und bei dieser Rechtslinguistik gibt es nun einige Probleme.

Rechtssprache-Theorien

Ich erläuterte den Zusammenhang zwischen Sprache und Recht im historischen und modernen Kontext, erklärte, warum verständliche Gesetze notwendig sind und definierte im Theorieteil erst einmal den Unterschied von Fachsprachen zur Allgemeinsprache, den Unterschied von fachinterner und fachexterner Kommunikation und stellte dann 5 der bekanntesten Verständlichkeitsmodelle vor: Die Lesbarkeitstests, das Hamburger Modell, das Modell nach N. Groeben, das Interaktive Konzept und das Modell nach Sauer. Jedes Modell habe ich auf die Anwendbarkeit auf Gesetzestexte getestet. Nach einem kurzen Ausflug zur Stereotypisierung von Schwerverständlichkeit und Tipps für Textoptimierung in Stilratgebern, kam ich zum praktischen Teil der Arbeit.

Was macht Gesetze so kompliziert? 

Fleißig zählte ich Substantive, Adjektive, Verben und Satzlängen und kam zu dem Schluss: So schwierig ist das Vereinsrecht (mein Beispieltext) doch gar nicht. Also nicht anhand der Skala, auf der ich meine Ergebnisse nach komplizierten mathematischen Berechnungen ablas. Was war es also, was uns diesen Text so schwer erscheinen ließ? Doch Stereotype? Nein, das war es auch nicht.
Ich analysierte also erst einmal die Faktoren, die beim Verstehen eine Rolle spielen und das waren wirklich eine ganze Menge, die ich aus verschiedensten Fachbüchern zusammensuchte und für die Arbeit erst mal mühsam systematisierte. Da ist der Text selber, der schwierig sein kann, durch schwierige Wörter oder einen umständlichen Satzbau, da ist aber auch der Leser selber, der Texte je nach Situation anders versteht.
Nun stehen wir vor einem weiteren Problem, dass nämlich die Rechtssprache Fachbegriffe verwendet, die nicht aussehen wie Fachbegriffe; ich untergliederte die Fachbegriffe in 5 Untergruppen.

In einem großen Praxisteil nahm ich dann den Beispieltext auseinander. Über Gesetzestexte wird ja immer viel genörgelt und ich überprüfte besonders häufig kritisierte Punkte. Ich musste wieder feststellen, dass der Text eigentlich gar nicht so schwer sein konnte, aber er war ja doch nicht einfach zu verstehen. Bis ich dann drauf kam, woran es lag: Im Durchschnitt hatte der Text zwar kurze bis mittellange Sätze, allerdings war der Satzbau bei den mittellangen, langen und sehr langen Sätzen teils katastrophal. Außerdem war die Gliederung gelinde gesagt „etwas durcheinander geraten“, was einige Textteile in einen völlig falschen Kontext stellte. Ich machte Vorschläge zur Verständlichkeitsoptimierung. Am Ende widmete ich mich noch kurz den politischen Fragen, stellte aktuelle Projekte vor und zog ein Fazit mit Vorschlägen für zukünftiges Arbeiten am Gesetzestext.
Ich schmiss alle meine Erkenntnisse in einen Topf, rührte kurz um und goss den Sud durch ein Sieb. Übrig blieb folgendes: Interdisziplinäres Arbeiten ist irre wichtig und die ideale Optimierung beginnt bereits beim Schreiben und Konzipieren des Regelungsinhalts und baut sich systematisch auf den sieben Punkten des idealen Gesetzgebungsprozesses auf.

Was hab ich daraus gelernt?

  • Was bereits da ist muss immer kritisch hinterfragt werden.
  • Gesetzestexte werden durch mangelnde Zusammenarbeit immer schlechter.
  • Optimierung ist wichtig, aber einer alleine kann es nicht reißen.
  • Wenn man Arbeiten schreibt, sollte man eher aufhören mit Lesen und eher anfangen mit Schreiben.
  • Kürzen kann sehr schmerzhaft sein.
  • Kürzen unter Zeitdruck und mitten in der Nacht mit einer Überdosis Kaffee im Blut sorgt nicht nur für zittrige Hände, sondern hindert einen auch daran sich den Text noch einmal auf eventuelle kleine Rechtschreibfehler durchzulesen, was einem am Schluss die Note versaut.

Weltweit werden täglich hunderte Diplomarbeiten, Masterarbeiten, Habilitationen und Promotionen geschrieben. Viele von ihnen lassen sich auf einen Satz runterbrechen. Eine Internetseite (englisch) sammelt diese Sätze: www.lolmythesis.com ist echt empfehlenswert.


Ich würde meine Arbeit ungefähr so zusammenfassen: 

Deutsche Gesetze sind deshalb so kompliziert weil den Juristen nicht genug Sprachwissenschaftler helfen dürfen.

 
An alle, die es übrigens immer noch nicht glauben: Jedes Gesetz wird in Deutschland auch sprachlich überprüft. Ganz allgemein würde ich da von einem gesetzlich vorgeschriebenen sprachlichen Corporate Design sprechen, dem alle Gesetze angepasst werden müssen. Ein kleiner Trupp bearbeitet diese Gesetze auch hinsichtlich der Verständlichkeitsoptimierung. Die Vorschläge dieser Redaktion sind aber leider nicht verpflichtend d.h. Juristen können sie annehmen, müssen das aber nicht tun.



Bildnachweise: 
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/0c/Blood_check.png By AdmeLERT [LGPL (http://www.gnu.org/licenses/lgpl.html)], via Wikimedia Commons

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