Manchmal gibt es Dinge, für
die uns einfach kein Wort einfällt. Und das liegt nicht etwa daran, dass unser
Gehirn mal wieder Pause macht, ohne uns zu fragen. Nein, für manche Dinge gibt
es einfach kein deutsches Wort. Der Bedarf ist da, wird aber nicht gedeckt. Man
könnte ja mal was erfinden, aber so leicht ist das dann doch nicht.
Wie war das früher? Wie ist man
da auf neue Wörter gekommen?
Bis ins späte 16. Jahrhundert wurde
in Deutschland mehrheitlich auf Latein geschrieben. Nachdem sich das Deutsche
etabliert hatte, begann man fleißig fremdsprachige Begriffe zu übersetzen und
einzudeutschen. Eine erste Welle fand Mitte des 17. Jahrhunderts statt, eine zweite Welle Ende des 18. Jahrhunderts und eine dritte Welle um 1900.
Im 17. und 18. Jahrhundert gingen
Sprachneuerungen meist von Philosophen, Linguisten oder anderen Akademikern
aus. Über den Ursprung moderner Neologismen lässt sich nur spekulieren. Waren
es im 19. Jahrhundert noch die regionalen Mundarten und Dialekte, die neue
Wörter einbrachten, so stammen neue Wörter heute vermehrt aus sozialen Varietäten. Neue Begriffe strömen aus allen Teilen der Gesellschaft ein.
Große Bemühungen in der
Fremdwortverdeutschung des späten 17. Jahrhunderts konnte man Philipp von Zesen nachweisen.
Beispiele: Distanz -> Abstand, Adresse ->
Anschrift, Moment -> Augenblick, Bibliothek -> Bücherei, Projekt ->
Entwurf, Horizont -> Gesichtskreis, Fundament -> Grundstein, Annalen ->
Jahrbücher, Passion -> Leidenschaft, Orthographie -> Rechtschreibung,
Journal ->
Tagebuch, Tragödie -> Trauerspiel, Autor -> Verfasser, Devise ->
Wahlspruch
(Beispiele geklaut bei Boimchen, eine sehr lesenswerte Aufstellung der Deutschen Sprachgeschichte)
(Beispiele geklaut bei Boimchen, eine sehr lesenswerte Aufstellung der Deutschen Sprachgeschichte)
Einige dieser Eindeutschungen waren gar erwünscht oder
angeordnet worden. Fast immer gab es Menschen, die sich darüber aufregten und
Empörung zeigten. Zwar waren es oft nur unverbindliche Vorschläge oder
Gelegenheitsversuche, doch oft ernteten Veränderer nur Spott. Menschen, die
gewohnte Strukturen aufbrechen, sind nie gern gesehen, aber neue oder unbekannte Worte sind einfach durch ihre Unbekanntheit lustig gewesen. Neben den paar Worten, die sich am Ende
durchgesetzt haben, gab es hunderte, die man nie wiedergesehen hat (deshalb
sind davon auch so wenige überliefert):
Beispiele: Anatom -> Entgliederer,
Botaniker -> Krautbeschreiber, Natur -> Zeugemutter, Fenster -> Tageleuchter, Nase ->
Gesichtserker, Harem -> Weiberburg, Nonnenkloster ->
Jungfrauenzwinger (wieder von Boimchen)
Sprache verändert sich beständig,
diese Veränderungen bemerkt nur niemand. Schaut man dann einmal weiter zurück,
wird die Veränderung offenbar. Eine oktroyierte Veränderung, wie sie bei der
Eindeutschung stattgefunden hat, ist eine plötzliche Veränderung, die auffällt.
Der Sprachgebrauch allein tätigte im Endeffekt die Auswahl und so wurden über
die Jahre viele der Neologismen wieder verworfen, weil sie nicht angenommen
worden waren.
Dieses schwarmintelligente
Sortieren wirkt bis heute fort. Fleißig fertigen Sprachwissenschaftler Listen
mit ausgestorbenen Wörtern oder „vom Aussterben bedrohten“ Wörtern an, in der
Hoffnung die Wörter irgendwie in die Erinnerung und in den Gebrauch zurückholen
zu können. Doch wer das tut, sieht (wortwörtlich) alt aus. Veraltete Wörter
werden häufig nur noch als Stilmittel gebraucht. Einige Anhänger der
Gothic-Szene nutzen z.B. bewusst Worte, die aus dem Sprachgebrauch gekommen
sind, um sich abzuheben. Statt Telefon hört man auf Szenetreffen auch gern mal
Fernsprecher.