Zwischen
2014 und 2015 kam eine neue Puppe auf den Markt: „Lammily“. Sie sah ganz anders
aus, als die bisherige Barbie. Damals ging ein Youtube-Video viral, das
zeigte, wie Grundschüler auf diese Puppe reagieren. Und das war wirklich
erstaunlich. Dieses Video inspirierte mich zu diesem Blogbeitrag.
Wer ist eigentlich diese Barbie??
Die
Barbiepuppe, wie wir sie bisher kennen kam 1959 als sogenannte Modepuppe auf
den Markt, also als Ankleidepuppe, mit dem Fokus auf das Wechseln der
Kleidungsstücke. Barbiepuppen hatten jahrzehntelang etwa das gleiche Aussehen:
Übergroße Augen, eine viel zu dünne Taille, einen unnatürlich langen Oberkörper
und unnatürlich lange Beine. Die Puppe wurde im Maßstab 1:6 konstruiert. Ihre
Maße entsprechen in unsere Welt übertragen den Maßen 99-46-84 - also eher dem
männlichen Fantasiefrauenbild als echten Frauen.
Eine
schlanke Frau, die unbedingt aussehen wollte wie Barbie, ließ hunderte von OPs
an sich durchführen, um dieser Figur zu ähneln. Dazu passt auch das Image von
Barbie: Die reiche Jetsetterin, die sich teure Kleidung leisten kann und als
Model erfolgreich ist.
Barbie
durchsättigte in 50 Jahren den weltweiten Markt und beeinflusste auf diesem Weg
unzählige junge Mädchen.
Wie kann eine Puppe eine Gesellschaft beeinflussen?
Rollenbilder
werden erlernt, sie sind nicht angeboren. Ursprünglich gab es nur Babypuppen,
die zum Einüben der Mutterrolle dienen sollten. Mit der Emanzipationsbewegung,
die Anfang der 1960er begann, wollten Frauen sich nicht mehr allein auf die
Mutterrolle festlegen lassen und andere Berufsbilder erobern. Dass eine Frau
auch eine erfolgreiche Sekretärin, Bäckerin oder Astronautin sein kann, wollte man auch den
Mädchen beibringen. Und eigentlich war die erwachsene Barbie dazu gedacht eine
Alternative dazu zu bilden, es gab für sie 1961 sogar mal eine Doktorrobe mit
Doktorhut. Allerdings änderte man dieses Frauenbild wieder kurz nach dem Ende
der 60er, indem man Barbie keiner Berufsgruppe mehr zuordnete, sondern
Hobbygruppen, wie Sport, Tierliebe, Popkultur, Musik oder Frisuren. Fortan
definierte sich Barbie nur noch über ihr Hobby und nicht mehr über ihren Beruf.
So wurde sie zu einem Sinnbild der Oberflächlichkeit der Konsumgesellschaft.
Sie hatte ein Haus, ein Auto, einen Mann und aufwendige Hobbies.
Die nie durchgeführte Groß-Studie
Über
ein paar Jahre kann das alles gut gehen, aber die modevernarrte Barbie prägte
mehrere Generationen an Mädchen mit ihrem Image einer erfolgreichen Frau.
Kinder
sind beeinflussbar. Und Barbie ist eine Vorbildperson.
Wie Barbie ist
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Was Kinder daraus lernen
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Modevernarrt,
hat
viele Marken-Kleidungsstücke
|
Man
braucht viele Kleidungsstücke,
nur
Markenkleidung ist ok
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Hat
einen Mann
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Man
braucht so früh wie möglich einen Freund
|
Hat
viele Freundinnen
|
Man
muss viele Freundinnen um sich scharen, um erfolgreich zu wirken
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Geht
auf teure Partys
|
Man
muss jeden Abend auf eine Party gehen
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Ist
irre schlank
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Nur
dünne Frauen sind erfolgreich
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Hat
immer Makeup im Gesicht
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Man
muss sich stets schminken, bevor man das Haus verlässt
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Hat
lange blonde Haare
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Haare
blond färben, sobald es die Eltern erlauben
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Ist
knapp bekleidet, um sexy zu wirken
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Wenn
man kurze Sachen anzieht und viel Haut zeigt, ist man erfolgreicher
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Hat
keine eigenen Kinder
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Auf
eigene Kinder verzichten
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Ist
ewig jung
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Bloß
nicht altern (Falten wegschminken)
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Es
gibt viele Zubehörteile
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Man
braucht viele Accessoires
|
Hat
teure Hobbies
|
Man
definiert sich über seine Hobbies, nicht über Erfolg im Beruf
|
Fazit
Heraus
kommt ein junges Mädchen, dass sich die Haare färbt und dick schminkt, nur
Markenkleidung trägt und ständig neue kauft und haufenweise Schuhe, Ringe,
Ketten und Haarschmuck benötigt. Ein Mädchen, dass unbedingt dünn bleiben will
(immer wieder wurde der Vorwurf erhoben, Barbies
Figur könne Essstörungen auslösen), sich nuttig anzieht, dass mit 10 den ersten
Freund hat, mit 11 das erste Mal Sex und dass spätestens mit 12 einfordert auf
Partys gehen zu dürfen. Eigene Kinder will das Mädchen nicht haben, die stören
nur beim Lifestyle.
Oh, es gibt tatsächlich Studien
2012 wurden für eine
Studie 60 Mädchen im Alter von sechs bis neun befragt. Ihnen wurde eine
Anziehpuppe aus Papier mit engen „sexy“ Klamotten und eine Puppe in modischen
aber „lockeren“ Outfit gezeigt. 68 % von ihnen wollten so aussehen wie die
sexy-Puppe und 72 % dachten, sie würden „beliebter“ sein, als die lockere
Puppe. Das ist nur eine Studie mit kleiner Teilnehmerzahl und ohne
dreidimensionale Puppen, aber die Resultate zeigen schon, wie kompliziert es
ist, kulturelle Trends zu ändern.
Von Generation 1 zu Generation 2
Kinder,
die so aufgewachsen sind – die man so aufwachsen ließ – werden es mit ihren
eigenen Kindern genauso halten. „Dann ist die Kleine halt mit 12 mal bei ner
Party in der Stadt, dann hat man seine Ruhe.“ Selbst wenn das Mädchen eine
entsprechend hohe Bildung genossen hat und im Laufe ihres Lebens gelernt hat,
dass nicht alles bling-bling ist, wie bei Barbie, wird ein Mädchen, was
ausschließlich mit solchen Puppen gespielt hat, diesem Rollenbild nacheifern.
Warum denn auch Astronautin werden, wenn man Model werden kann, warum
Chemikerin werden, wenn man Schauspielerin werden kann, warum Ärztin werden,
wenn man reich heiraten kann und als Hausfrau viel mehr Zeit für seine Hobbies
hat?
Emanzipation für den Arsch
Der
Gesellschaft der ersten Welt gehen die Akademikerinnen aus. Der Gesellschaft
der ersten Welt gehen die Mütter aus und damit auch die Kinder. Der Prozess ist
schleichend, aber vorhanden. Und es ist nicht allein Barbie schuld, es ist
teilweise auch das bildungsferne TV-Programm von RTL gewesen. Aber unsere
Gesellschaft ist im Wandel und zwar weg von der Emanzipation der Frau im Beruf.
Und die Männer?
Jungs
spielen nicht so häufig mit Puppen, wie Mädchen. Ob Ken nun für Jungs zum Spielen
ist oder für Mädchen, um ihrer Barbie den passenden Mann zu geben, so genau
weiß das keiner. Aber gleiches Prinzip für alle. Ken ist ein schlanker, muskulärer
Surferboy mit perfektem Haar – und perfekten Markenklamotten. Auch er wirkt auf
Jungen als ein Vorbild. Jungs, die mit diesen Puppen aufgewachsen sind, lassen
wiederum nur Freundinnen zu, die aussehen, wie Barbie: hautenge Klamotten,
hochgestylt, mit Tonnen Makeup zugeklatscht und voll auf ihre Hobbys oder ihre
Modelkarriere fixiert. Vielmehr beeinflusst aber auch Ken das Bild der Mädchen
in ihrer eigenen späteren Partnerwahl. Nur solche Sunnyboy-Kens werden als
Partner akzeptiert. Ob nun aber solche Kerle geeignet sind ein Kind
großzuziehen, darf bezweifelt werden.
Eine Gegenbewegung setzt ein
Die
Künstlerin Wendy Tsao hat gesagt: „Puppen haben eine enorme Bedeutung für
unsere Kinder. Die meisten Figuren sind allerdings fiktionale Figuren […] Dabei
gibt es auch im echten Leben Helden und Heldinnen. Wäre es nicht wertvoller,
wenn Kinder vermehrt durch solche Figuren beeinflusst und inspiriert werden?“
Deshalb hat sie bei stark geschminkten Plastikpuppen das Makeup entfernt und
sie im Stil berühmter beruflich erfolgreicher Frauen oder
Menschenrechtsaktivistinnen frisiert und angezogen. Hier
ansehen!!!
Und dann kam Lammily
„Lammily“ heißt die realistisch proportionierte Puppe, die
euphorisch als „Barbie Alternative“ angepriesen wurde. Kinder einer zweiten
Klasse wurden befragt was sie von ihr halten, die Reaktionen sind verblüffend:
„Sie sieht so hübsch aus! Ihr Haar ist so weich.“
„Sie sieht aus wie meine Schwester.“
„Sie sieht mehr wie eine realistische Person aus.“
Gefragt nach den möglichen Karrieren von „Barbie“ und
„Lammily“ sagten die Kinder:
zu Lammily:
|
Und zu Barbie:
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„Eine Lehrerin.“
|
„Modefreak.“
|
„Sie arbeitet in einem Computerjob“
|
„Eine Maskenbildnerin“
|
„Eine Piratin.“
|
„Ein Model.“
|
Alle Kinder sagten aber am Schluss auf die Frage, welche der
beiden Puppen wie sie selbst zu sein scheint: „Lammily“
Können wir also den
Kreislauf noch aufhalten?
Vielleicht ist die Welt ja heute reif für eine neue Puppe
mit normalen Maßen und normalgroßen Augen, hofft Nickolay
Lamm, der Lammily designt hat.
Auch wenn das Video mehr gedacht war als ein Webevideo, sind
es doch die ehrlichen Äußerungen von Kindern, die gern mit Puppen spielen. Sie sehen
in Lammily eine Puppe, die genauso ist, wie sie, eine normale Person. Barbie
ist irgendwo in den 70ern in der zweiten Feminismuswelle steckengeblieben –
emanzipiert, eine
Rebellin mit eigenem Auto und Haus, die sich nicht in die Mutterrolle
pressen lässt. Aber sie ist nicht die Puppe, die Kinder heute brauchen, um sich
mit der werbeüberladenen Welt um sich herum auseinandersetzen zu können.
Kinder brauchen gerade heute eine Puppe, die ihnen zeigt, dass man gut ist, so
wie man ist und sich nicht verändern (lassen) muss, um in irgendwelche Rollen
zu passen. Wir müssen heute unseren Kindern zeigen, dass es nicht cool ist sich
in Fantasiewelten zu flüchten, sondern, dass auch die Realität
Spaß machen kann.
Bildnachweise:
By Librarygurl (Own work) [CC BY-SA 4.0
(https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons
By Mike Mozart [CC BY 2.0
(http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons
By A.J. (Own work) [GFDL
(http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC BY-SA 3.0
(https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
von Antony555 (Eigenes Werk) [CC BY-SA 3.0
(https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) oder GFDL
(http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], via Wikimedia Commons
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