Ich durfte vor ein paar Tagen mal wieder Geburtstag feiern und möchte dies zum Anlass nehmen, ein bisschen was über die Zeit zu schreiben.
Früher
zog jedes Mal um Mitternacht der Nachtwächter durch die Straßen und Gassen und
sang sein Lied:
Hört ihr Herrn und lasst euch sagenUnsere Glock‘ hat Zwölf geschlagen.Zwölf, das ist das Ziel der Zeit,Mensch bedenk die Ewigkeit.
Dieses
Lied ist zwar mehrere hundert Jahre alt, aber es zeigt uns, wie wir als Menschen
die Zeit verstehen.
Als
erwachsener Mensch hat man das Gefühl, dass die Jahre immer kürzer werden und,
dass die Zeit rast. Der Grund ist denkbar einfach: Wir können vergleichen.
Im
letzten Jahr, war es so, dieses Jahr ist es so. Das ist auch der Grund, warum
Kindern ein Jahr noch viel länger vorkommt, als den Erwachsenen. Sie haben noch
nicht so viel Zeit hier zugebracht, wie wir. Ein Kind, dass zwei Jahre alt
wird, hat im vergangenen Jahr ein tatsächliches „halbes Leben“ verbracht – eine
lange Zeit. Der Abschnitt „ein Jahr“ im Vergleich zu „bisherige Lebensspanne“
wird immer weniger im Verhältnis. Ein zwanzigjähriger schaut zurück auf ein
Jahr, das ein Zwanzigstel seines Lebens ausmacht. Ein Achtzigjähriger schaut
auf eine viel längere Lebenszeit zurück und hat in dem einen Jahr, das für alle
gleich lang ist, ein Achtzigstel seines Lebens verbracht. Subjektives
Zeitempfinden hängt also stark davon ab, womit wir die Zeitspanne vergleichen
können.
Wenn
der Nachtwächter jede Nacht seine Runde dreht, wird man jede Nacht an das Ende
des Tages erinnert und kann vergleichen. Der Tag ist immer gleich lang, aber er
wird subjektiv nicht immer gleich lang empfunden. Eine Eintagsfliege empfindet
einen Tag auch anders, als wir. Auch das ist eine Frage des Empfindens von
Zeit.
Wir
lernen, wie alte Menschen normalerweise leben und wir lernen damit umzugehen.
Alles Ding hat seine Zeit. So oder so. Wir denken oft nicht daran, dass auch
wir irgendwann sterben müssen. Das Bewusstsein des Todes wurde in den
Hintergrund gedrängt. Früher hat einen der Nachtwächter jede Nacht dran
erinnert.
Mensch bedenk die Ewigkeit.
Der Geburtstag
ist so ein Tag, an dem man gerne mal ein Resümee zieht, was man bisher auf der
Erde vollbracht hat. Man sieht, wie viel Zeit vergangen ist. Man vergleicht die
Jahre mit ähnlichen Zeitspannen und wird sich der großen Zeitspanne von Jahr zu
Jahr immer bewusster. Ein Fünfundzwanzigjähriger hat immerhin ein
Vierteljahrhundert gelebt. 2015 wurde 25 Jahre Mauerfall gefeiert. Auch ein
Vierteljahrhundert. Schon sind 25 Jahre viel. In 25 Jahren kann viel passieren.
Oder, um es mit den Worten von Udo Jürgens und Friedhelm Lehmann zu sagen:
„Doch aus Kindern werden Leute und die Utopie von heute, wird die Wirklichkeit
von übermorgen sein.“
Der
Mensch sieht sich immer im Zentrum seines Daseins. Er kennt seine eigenen
Gefühle, sein Wissen, seine Empfindungen, seine Erfahrungen, seine Umwelt und,
wie er damit umgehen muss. Nicht wenige messen ihrem Dasein auf dieser Erde
mehr Bedeutung bei, als es hat. Dazu gehören vor allem Diktatoren und
Machthaber, aber auch einige Stars und Sternchen.
Oder,
wie Papst Franziskus es in seiner Weihnachtsansprache 2014 sagte:
„Ein gewöhnlicher Friedhofsbesuch kann uns helfen, die Namen so vieler Personen zu sehen, von denen manche vielleicht meinten, unsterblich, unangreifbar und unersetzlich zu sein!“
Bedenke, dass du sterblich bist.
Wir
sind Staub im Wind. Ein Blatt, wie jedes andere, was im Frühjahr wächst und im
Herbst vom Baum fällt.
Ein Pünktchen in der großen Ewigkeit, dem fließenden Strom der Zeit.
Johann
Gottfried Herder packte diese Erkenntnis in einige Verse:
Ein Traum, ein Traum ist unser Leben auf Erden hier.Wie Schatten auf den Wegen schweben und schwinden wir.
Und messen unsre trägen Tritte nach Raum und Zeit;
und sind (und wissen's nicht) in Mitte der Ewigkeit.
Und
doch ist jeder etwas Besonderes. Kein Mensch ist gleich einem anderen. Die eigene
Sterblichkeit und Endlichkeit zu begreifen, bedeutet nicht, die Hände in den
Schoß zu legen und das Ganze auf sich zukommen zu lassen, sondern aus seiner
Zeit auf Erden das Beste zu machen. Auch mit kleinen Schritten kann man – auf
lange Zeit gerechnet – großes Bewirken. Es reicht völlig, sich den
Minimalanspruch von Robert Baden Powell, dem Gründer der Pfadfinder, zu Herzen
zu nehmen:
„Versuche die Welt ein kleines bisschen besser zurückzulassen, als du sie vorgefunden hast.“
Bildnachweise:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d7/Sculpture_Nachtwaechter_nightwatchman_Linden-Mitte_Hannover_Germany_02.jpg
von Christian A. Schröder (ChristianSchd) (Eigenes Werk) [CC BY-SA 4.0
(http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f8/Nachtw%C3%A4chter.JPG
von BuRnZ (Eigenes Werk) [CC BY-SA 4.0
(http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons
Liken,
Teilen, Abonnieren und Favorisieren ist erlaubt und erwünscht!
Frau W.
Niemand ist bei Twitter.
Frau
Niemand ist bei Facebook.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen