Samstag, 21. März 2015

Nachtwächters Mondgesang – Alles Ding hat seine Zeit


Ich durfte vor ein paar Tagen mal wieder Geburtstag  feiern und möchte dies zum Anlass nehmen, ein bisschen was über die Zeit zu schreiben.

Früher zog jedes Mal um Mitternacht der Nachtwächter durch die Straßen und Gassen und sang sein Lied:
Hört ihr Herrn und lasst euch sagen 
Unsere Glock‘ hat Zwölf geschlagen.
Zwölf, das ist das Ziel der Zeit,
Mensch bedenk die Ewigkeit.

Dieses Lied ist zwar mehrere hundert Jahre alt, aber es zeigt uns, wie wir als Menschen die Zeit verstehen.
Als erwachsener Mensch hat man das Gefühl, dass die Jahre immer kürzer werden und, dass die Zeit rast. Der Grund ist denkbar einfach: Wir können vergleichen.
Im letzten Jahr, war es so, dieses Jahr ist es so. Das ist auch der Grund, warum Kindern ein Jahr noch viel länger vorkommt, als den Erwachsenen. Sie haben noch nicht so viel Zeit hier zugebracht, wie wir. Ein Kind, dass zwei Jahre alt wird, hat im vergangenen Jahr ein tatsächliches „halbes Leben“ verbracht – eine lange Zeit. Der Abschnitt „ein Jahr“ im Vergleich zu „bisherige Lebensspanne“ wird immer weniger im Verhältnis. Ein zwanzigjähriger schaut zurück auf ein Jahr, das ein Zwanzigstel seines Lebens ausmacht. Ein Achtzigjähriger schaut auf eine viel längere Lebenszeit zurück und hat in dem einen Jahr, das für alle gleich lang ist, ein Achtzigstel seines Lebens verbracht. Subjektives Zeitempfinden hängt also stark davon ab, womit wir die Zeitspanne vergleichen können.

Wenn der Nachtwächter jede Nacht seine Runde dreht, wird man jede Nacht an das Ende des Tages erinnert und kann vergleichen. Der Tag ist immer gleich lang, aber er wird subjektiv nicht immer gleich lang empfunden. Eine Eintagsfliege empfindet einen Tag auch anders, als wir. Auch das ist eine Frage des Empfindens von Zeit.
Wir lernen, wie alte Menschen normalerweise leben und wir lernen damit umzugehen. Alles Ding hat seine Zeit. So oder so. Wir denken oft nicht daran, dass auch wir irgendwann sterben müssen. Das Bewusstsein des Todes wurde in den Hintergrund gedrängt. Früher hat einen der Nachtwächter jede Nacht dran erinnert.

Mensch bedenk die Ewigkeit.

Der Geburtstag ist so ein Tag, an dem man gerne mal ein Resümee zieht, was man bisher auf der Erde vollbracht hat. Man sieht, wie viel Zeit vergangen ist. Man vergleicht die Jahre mit ähnlichen Zeitspannen und wird sich der großen Zeitspanne von Jahr zu Jahr immer bewusster. Ein Fünfundzwanzigjähriger hat immerhin ein Vierteljahrhundert gelebt. 2015 wurde 25 Jahre Mauerfall gefeiert. Auch ein Vierteljahrhundert. Schon sind 25 Jahre viel. In 25 Jahren kann viel passieren. Oder, um es mit den Worten von Udo Jürgens und Friedhelm Lehmann zu sagen: „Doch aus Kindern werden Leute und die Utopie von heute, wird die Wirklichkeit von übermorgen sein.“

Der Mensch sieht sich immer im Zentrum seines Daseins. Er kennt seine eigenen Gefühle, sein Wissen, seine Empfindungen, seine Erfahrungen, seine Umwelt und, wie er damit umgehen muss. Nicht wenige messen ihrem Dasein auf dieser Erde mehr Bedeutung bei, als es hat. Dazu gehören vor allem Diktatoren und Machthaber, aber auch einige Stars und Sternchen.

Oder, wie Papst Franziskus es in seiner Weihnachtsansprache 2014 sagte:
Ein gewöhnlicher Friedhofsbesuch kann uns helfen, die Namen so vieler Personen zu sehen, von denen manche vielleicht meinten, unsterblich, unangreifbar und unersetzlich zu sein!

 Bedenke, dass du sterblich bist.

Wir sind Staub im Wind. Ein Blatt, wie jedes andere, was im Frühjahr wächst und im Herbst vom Baum fällt.
Ein Pünktchen in der großen Ewigkeit, dem fließenden Strom der Zeit.

Johann Gottfried Herder packte diese Erkenntnis in einige Verse:

Ein Traum, ein Traum ist unser Leben auf Erden hier. 
Wie Schatten auf den Wegen schweben und schwinden wir.
Und messen unsre trägen Tritte nach Raum und Zeit;
und sind (und wissen's nicht) in Mitte der Ewigkeit.

Und doch ist jeder etwas Besonderes. Kein Mensch ist gleich einem anderen. Die eigene Sterblichkeit und Endlichkeit zu begreifen, bedeutet nicht, die Hände in den Schoß zu legen und das Ganze auf sich zukommen zu lassen, sondern aus seiner Zeit auf Erden das Beste zu machen. Auch mit kleinen Schritten kann man – auf lange Zeit gerechnet – großes Bewirken. Es reicht völlig, sich den Minimalanspruch von Robert Baden Powell, dem Gründer der Pfadfinder, zu Herzen zu nehmen:
Versuche die Welt ein kleines bisschen besser zurückzulassen, als du sie vorgefunden hast.

Bildnachweise:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d7/Sculpture_Nachtwaechter_nightwatchman_Linden-Mitte_Hannover_Germany_02.jpg von Christian A. Schröder (ChristianSchd) (Eigenes Werk) [CC BY-SA 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f8/Nachtw%C3%A4chter.JPG von BuRnZ (Eigenes Werk) [CC BY-SA 4.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], via Wikimedia Commons

Liken, Teilen, Abonnieren und Favorisieren ist erlaubt und erwünscht!
Frau W. Niemand ist bei Twitter.
Frau Niemand ist bei Facebook.
Frau W. Niemand ist bei Youtube (bald…bald….kommt da auch neuer Content)  

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen