Schon seit ich die Rezension
zu Skinners Buch „Walden Two“ geschrieben habe, hat sich mir die Frage
aufgedrängt, was daraus geworden ist im heute, hier und jetzt. Das Buch war in
den USA ein Megahit, mit Sicherheit gab es da einige, die sich dieses Prinzip
als Vorbild genommen haben und eine Community gegründet haben, wie sie dort
beschrieben wird.
Etwa 1000 Menschen richten ihr
Leben nach den Maximen der modernen Verhaltenspsychologie aus. Sie leben als
autarke Gruppe nach ihren eigenen Gesetzen, lehren ihren Kindern die Werte
einer nicht-egoistischen Gesellschaft, die ohne Neid und ohne großen Bedarf an
Konsumgütern auskommt. Eine Gesellschaft aber, die durch hohen
Erfindungsreichtum ein Leben auf dem höchsten Stand der Technik lebt und in der
jeder für jeden seine Waren und seine Arbeitskraft kostenlos zur Verfügung
stellt und jeder jedem hilft. Eine schöne neue Welt!
Skinner selbst sagt in seinem
Kommentar, den er 28 Jahre nach der Erstauflage der damals neuesten Neuauflage
voranstellte, dass sich seine Ansichten zu einigen Themen gewandelt haben und
er aufgrund des allgemeinen Wandels der Welt einige Dinge heute anders
schreiben würde. Das zeigt, dass sein Buch nur eine Momentaufnahme einer
fortdauernden Entwicklung sein kann. Die Entwicklung dieser Idealgesellschaft
als Prozess, welcher immer mit neuen psychologischen und
sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen gefüttert wird.
Die Idee zu einer utopischen
schöneren und besseren Gesellschaft gibt es in der Menschheit schon lange, wie diese Liste zeigt.
Tatsächlich gibt es in den USA
heute mehrere Communitys, die nach den Prinzipien von Walden Two leben. Die Fortschritte
eine Gesellschaft, wie Walden Two zu kreieren, hat Hilke Kuhlmann gesammelt in „Living Walden Two“ (2005).
Neben einer wissenschaftlichen Übersicht der Philosophie des Buches, den
akademischen Reaktionen darauf und einer kritischen Abrechnung mit einigen
Schlüsselthemen des Buches schrieb sie auch über echte Communitys nach Skinners
Vorbild.
Nach der Waldenwoods-Konferenz
1966 fanden sich knapp 90 interessierte Leute, die an Skinner schrieben. Zum
gleichen Zeitpunkt gründete Mathew Israel die Association
for Social Design und fand auch einige Anhänger. Daraufhin gründete er ein
Jahr später das Morningside House in Arlington Massachusetts. Im selben Jahr
startete der bisher bekannteste Ableger Twin Oaks Community in Louisa
County, Virginia. 1969 gründete Keith Miller in Lawrence, Kansas ein „Walden-House“,
ein Studentenkollektiv, das als Sunflower House 11 bekannt wurde. Er schrieb
später eine Studie
darüber. Nach dem Experiment wurde das Ganze zwar beendet aber 1972
wiederbegründet. 1971 startete auch Roger Ulrich eine Experimentalgruppe namens
Lake Village in Kalmazoo,
Michigan. Im gleichen Jahr begann auch eine Gruppe namens Los
Horcones in Hermosillo, Mexiko nach „Walden Dos“ zu leben. 1973 schließlich
entstand die Gruppe East Wind in Missouri.
Skinner selbst attestierte den Horcones, dass sie am nächsten an seinem Buch dran seien, da die anderen einige Aspekte abgewandelt hatten und Zwischenlösungen entstanden sind. Twin Oaks, Los Horcones und East Wind existieren bis heute. Aktuelle Informationen über im Aufbau begriffene oder bereits existierende kleinere Gruppen nach dem Vorbild von Walden Two gibt es auf der Webseite der Federation of Egalitarian Communities. Daneben gibt es einige Orte in den USA, die sich Walden genannt haben, ob das etwas mit dem Buch zu tun hat, ist aber nicht immer 100%ig eindeutig.
In Deutschland haben sich
ähnliche Gruppen herausgebildet. Keine hat allerdings mit Skinners Buch
oder seinem psychologischen Ansatz etwas zu tun. Erwähnenswert ist nur die die Fokolar-Bewegung, eine in 182 Ländern vertretene Bewegung von Menschen, die sich für Einheit und Geschwisterlichkeit engagieren,
die 1943 in Trient entstand.
Obwohl Skinner
Zeit seines Lebens ein Optimist war, der die Vorteile seiner psychologischen
Erkenntnisse zur Verhaltenssteuerung betonte, so schreibt der Spiegel im Oktober
1981 doch einen nachdenklichen Artikel über einen Mann, der an der Welt
verzweifelt. 1990 starb Skinner.
Ich denke, dass
seine Idee heute aktueller ist, als je zuvor. Angesichts solcher Trends, wie New Work, New
Local und einer neuen Generation Y
kann man sagen, dass die Welt in einem generellen Wandel begriffen ist und sich
rückbesinnt auf kleine lokale Gruppen inmitten einer großen vernetzten Welt. Neue
Generationen von Fachkräften haben die Demografie als Druckmittel hinter sich
und fordern eine Arbeit, in der jeder das tut, was ihm Freude bereitet und sein
Job mit der Familie vereinbar ist. Technologien sollen dem Menschen körperliche
oder repetitive Arbeit abnehmen, die Menschen können sich auf wichtigere Dinge konzentrieren.
In kleinen Communitys wird auf Dachgärten Gemüse angebaut, man hilft sich
gegenseitig.
Schaut man sich
diese miteinander verknüpften Trends an, sieht man mehr als eine Tendenz. Da
ist eine ganze Generation, die Arbeit und Leben in Gesellschaften revolutionieren
will. Back to the Roots sozusagen, aber dennoch nicht fernab vom Leben. Skinner
hätte sich vielleicht gefreut. Vielleicht hat es einfach diesen Bruch über die
Klippe des unerträglichen gebraucht, um endgültig zu begreifen, was man wirklich
will und braucht.
Als Fazit kann
man sagen, dass nicht jede Bewegung, die sich auf diese Werte bezieht,
unbedingt etwas mit Skinner oder Walden Two zu tun haben muss. Dennoch glaube
ich, dass eine Gesellschaft, in der man sich gegenseitig hilft, weiterkommt,
als eine Ellenbogengesellschaft. Die Menschheit ist und bleibt gemeinsam
gefangen auf dieser Welt und nur wir gemeinsam können uns nach vorn
katapultieren und auf die Herausforderungen der Zukunft reagieren.
Bildnachweise:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/dd/Walden_Pond_%2863%29.jpg
By Alexx88 (Own work) [CC BY-SA 3.0
(http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) or GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)],
via Wikimedia Commons
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a9/New_Harmony_by_F._Bate_%28View_of_a_Community%2C_as_proposed_by_Robert_Owen%29_printed_1838.jpg
By Drawn and engraved by F. Bate. Published by "The Association of all
Classes of all Nations", at their institution, 69, Great Queen Street.
Lincoln's Inn Fields, London, 1838. [Public domain], via Wikimedia Commons
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/0/06/Thoreau_and_Walden_Streets_in_Concord%2C_Mass.JPG
By Victorgrigas (Own work) [CC0], via Wikimedia Commons
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