Freitag, 5. September 2014

Die schöne neue Welt – Suche nach einer idealen Gesellschaft



Schon seit ich die Rezension zu Skinners Buch „Walden Two“ geschrieben habe, hat sich mir die Frage aufgedrängt, was daraus geworden ist im heute, hier und jetzt. Das Buch war in den USA ein Megahit, mit Sicherheit gab es da einige, die sich dieses Prinzip als Vorbild genommen haben und eine Community gegründet haben, wie sie dort beschrieben wird.
Etwa 1000 Menschen richten ihr Leben nach den Maximen der modernen Verhaltenspsychologie aus. Sie leben als autarke Gruppe nach ihren eigenen Gesetzen, lehren ihren Kindern die Werte einer nicht-egoistischen Gesellschaft, die ohne Neid und ohne großen Bedarf an Konsumgütern auskommt. Eine Gesellschaft aber, die durch hohen Erfindungsreichtum ein Leben auf dem höchsten Stand der Technik lebt und in der jeder für jeden seine Waren und seine Arbeitskraft kostenlos zur Verfügung stellt und jeder jedem hilft. Eine schöne neue Welt!
Skinner selbst sagt in seinem Kommentar, den er 28 Jahre nach der Erstauflage der damals neuesten Neuauflage voranstellte, dass sich seine Ansichten zu einigen Themen gewandelt haben und er aufgrund des allgemeinen Wandels der Welt einige Dinge heute anders schreiben würde. Das zeigt, dass sein Buch nur eine Momentaufnahme einer fortdauernden Entwicklung sein kann. Die Entwicklung dieser Idealgesellschaft als Prozess, welcher immer mit neuen psychologischen und sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen gefüttert wird.
Die Idee zu einer utopischen schöneren und besseren Gesellschaft gibt es in der Menschheit schon lange, wie diese Liste zeigt.
Tatsächlich gibt es in den USA heute mehrere Communitys, die nach den Prinzipien von Walden Two leben. Die Fortschritte eine Gesellschaft, wie Walden Two zu kreieren, hat Hilke Kuhlmann gesammelt in „Living Walden Two“ (2005). Neben einer wissenschaftlichen Übersicht der Philosophie des Buches, den akademischen Reaktionen darauf und einer kritischen Abrechnung mit einigen Schlüsselthemen des Buches schrieb sie auch über echte Communitys nach Skinners Vorbild.
Nach der Waldenwoods-Konferenz 1966 fanden sich knapp 90 interessierte Leute, die an Skinner schrieben. Zum gleichen Zeitpunkt gründete Mathew Israel die Association for Social Design und fand auch einige Anhänger. Daraufhin gründete er ein Jahr später das Morningside House in Arlington Massachusetts. Im selben Jahr startete der bisher bekannteste Ableger Twin Oaks Community in Louisa County, Virginia. 1969 gründete Keith Miller in Lawrence, Kansas ein „Walden-House“, ein Studentenkollektiv, das als Sunflower House 11 bekannt wurde. Er schrieb später eine Studie darüber. Nach dem Experiment wurde das Ganze zwar beendet aber 1972 wiederbegründet. 1971 startete auch Roger Ulrich eine Experimentalgruppe namens Lake Village in Kalmazoo, Michigan. Im gleichen Jahr begann auch eine Gruppe namens Los Horcones in Hermosillo, Mexiko nach „Walden Dos“ zu leben. 1973 schließlich entstand die Gruppe East Wind in Missouri.

Skinner selbst attestierte den Horcones, dass sie am nächsten an seinem Buch dran seien, da die anderen einige Aspekte abgewandelt hatten und Zwischenlösungen entstanden sind. Twin Oaks, Los Horcones und East Wind existieren bis heute. Aktuelle Informationen über im Aufbau begriffene oder bereits existierende kleinere Gruppen nach dem Vorbild von Walden Two gibt es auf der Webseite der Federation of Egalitarian Communities. Daneben gibt es einige Orte in den USA, die sich Walden genannt haben, ob das etwas mit dem Buch zu tun hat, ist aber nicht immer 100%ig eindeutig.
In Deutschland haben sich ähnliche Gruppen herausgebildet. Keine hat allerdings mit Skinners Buch oder seinem psychologischen Ansatz etwas zu tun. Erwähnenswert ist nur die die Fokolar-Bewegung, eine in 182 Ländern vertretene Bewegung von Menschen, die sich für Einheit und Geschwisterlichkeit engagieren, die 1943 in Trient entstand.
Obwohl Skinner Zeit seines Lebens ein Optimist war, der die Vorteile seiner psychologischen Erkenntnisse zur Verhaltenssteuerung betonte, so schreibt der Spiegel im Oktober 1981 doch einen nachdenklichen Artikel über einen Mann, der an der Welt verzweifelt. 1990 starb Skinner.
Ich denke, dass seine Idee heute aktueller ist, als je zuvor. Angesichts solcher Trends, wie New Work, New Local und einer neuen Generation Y kann man sagen, dass die Welt in einem generellen Wandel begriffen ist und sich rückbesinnt auf kleine lokale Gruppen inmitten einer großen vernetzten Welt. Neue Generationen von Fachkräften haben die Demografie als Druckmittel hinter sich und fordern eine Arbeit, in der jeder das tut, was ihm Freude bereitet und sein Job mit der Familie vereinbar ist. Technologien sollen dem Menschen körperliche oder repetitive Arbeit abnehmen, die Menschen können sich auf wichtigere Dinge konzentrieren. In kleinen Communitys wird auf Dachgärten Gemüse angebaut, man hilft sich gegenseitig.
Schaut man sich diese miteinander verknüpften Trends an, sieht man mehr als eine Tendenz. Da ist eine ganze Generation, die Arbeit und Leben in Gesellschaften revolutionieren will. Back to the Roots sozusagen, aber dennoch nicht fernab vom Leben. Skinner hätte sich vielleicht gefreut. Vielleicht hat es einfach diesen Bruch über die Klippe des unerträglichen gebraucht, um endgültig zu begreifen, was man wirklich will und braucht.
Als Fazit kann man sagen, dass nicht jede Bewegung, die sich auf diese Werte bezieht, unbedingt etwas mit Skinner oder Walden Two zu tun haben muss. Dennoch glaube ich, dass eine Gesellschaft, in der man sich gegenseitig hilft, weiterkommt, als eine Ellenbogengesellschaft. Die Menschheit ist und bleibt gemeinsam gefangen auf dieser Welt und nur wir gemeinsam können uns nach vorn katapultieren und auf die Herausforderungen der Zukunft reagieren.


Bildnachweise:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/dd/Walden_Pond_%2863%29.jpg By Alexx88 (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0) or GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], via Wikimedia Commons
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a9/New_Harmony_by_F._Bate_%28View_of_a_Community%2C_as_proposed_by_Robert_Owen%29_printed_1838.jpg By Drawn and engraved by F. Bate. Published by "The Association of all Classes of all Nations", at their institution, 69, Great Queen Street. Lincoln's Inn Fields, London, 1838. [Public domain], via Wikimedia Commons

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